Über 100 Jahre “Theater für alle”
Am 1. Juli 1921 tagte die Gründerversammlung der Mainzer Volksbühne im Wappensaal des Restaurants „Heilig Geist“. Schon damals war es das Ziel, Theater für alle zu ermöglichen. Als erste Vorstellung erlebten die Volksbühnen-Mitglieder in Mainz am 26. September 1921 das Schauspiel „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen mit der Bühnenmusik von Edvard Grieg. Bereits in der Spielzeit 1927/28 konnte die Mainzer Volksbühne trotz Inflation und hoher Arbeitslosigkeit über 2.000 Mitglieder zählen. 1933 wurde der Verein durch die Nazionalsozialisten zwangsaufgelöst. Vorherrschend wurde die Einheitsorganisation „Kraft durch Freude“.
Erfolgreiche Vereinsentwicklung
Nach dem Krieg regte sich die Volksbühnen-Idee bald wieder. Am 1. Februar 1949 wurde die Mainzer Volksbühne wiedergegründet. Als erste Vorstellung nach dem Krieg gab es am 27. April 1949 im legendären Theater am Pulverturm Molières „Der eingebildete Kranke“. In den 50er Jahren ging es steil bergauf mit der Mainzer Volksbühne. Für den Erfolsgskurs mit zeitweise über 8.000 Mitgliedern stehen Namen wie Willy Hitter, Vorsitzender der Volksbühne bis 1966, Karl Meier, Vorsitzender 1967 bis 1985 und danach Ehrenvorsitzender, und Maja Forster, Geschäftsführerin von 1952 bis 1980.
Unter dem Vorsitz von Dr. Kurt Oehl hat sich die Mitgliederzahl der Mainzer Volksbühne gegen starke Konkurrenz auf dem „Freizeitmarkt“ bis 4.500 eingependelt. Unser Marktanteil an den verkauften Karten des Theaters lag bei über 20 %: eine große Bürgerinitiative für das Theater in Mainz. In den vergangenen Jahrzehnten erlebte das Mainzer Theater bewegte Zeiten, bei denen sich die Volksbühne als verlässlicher Partner erwies. Die Aufwertung zum Staatstheater zog den Bau des Kleinen Hauses nach sich.
Die differenzierte Darstellung unserer Geschichte können Sie in unserer Festschrift nachlesen.
Die Festschrift erhalten Sie in unserer Geschäftsstelle zu den angegebenen Öffnungszeiten.
Aktuelles Angebot
Die Besuchergemeinschaft Mainzer Volksbühne e.V. übernimmt für ihre Mitglieder vier Schauspielproduktionen des Staatstheaters. Weitere sechs Titel aus dem Programm des Musiktheaters ergeben den Spielplan für die Volksbühnen-Gemeinden.
Die Junge Volksbühne für Schüler und Studenten und eine Konzertmitgliedschaft für vier oder sechs Sinfoniekonzerte runden die Möglichkeiten des Vereines ab. Seit 2008 steht es unseren Mitgliedern frei, entweder unseren Spielplanvorschlag anzunehmen oder sich einen eigenen Spielplan aus den Angeboten des Staatstheaters zu gestalten.
Wir über uns
Im Frühsommer des Jahres 1921 trafen sich in Mainz theaterbegeisterte Menschen im Wappensaal des Restaurants „Heilig Geist“ zur Gründungsversammlung der Mainzer Volksbühne. Beflügelt durch die Arbeiterbildungsbewegung, die nach dem 1. Weltkrieg von Berlin ausgehend „Theater für alle“ und „Kultur für alle“ forderte, verstanden sie sich, – und das ist bis heute so geblieben – als Dienstleister in zwei Richtungen: Sie handelten mit dem Theater günstige Abonnements für ihre Mitglieder aus und banden diese wiederum ans Theater, manche für ein Jahr, andere ein Leben lang. Es waren schwierige Zeiten; Inflation und hohe Arbeitslosigkeit setzten den Menschen zu. Dass sich dennoch schon bald allein in Mainz 2000 Mitglieder einfanden zeigt, wie groß der Hunger nach Teilnahme am kulturellen Leben war.
Ein jähes Ende nahmen die Aktivitäten der Volksbühne 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Diese duldeten keine Organisation, deren Ursprung nicht ihrer Ideologie entsprach. Es schaudert einen bei dem Gedanken, dass dem damaligen Geschäftsführer der Mainzer Volksbühne im berüchtigten Folterkeller der GESTAPO in der Kaiserstraße übel zugesetzt wurde. Die Organisation als solche war danach zerschlagen, dennoch traf man sich noch in Freundeskreisen zu gemeinsamen Theatergängen. Bereits 1945, Mainz lag noch in den Trümmern des zweiten Weltkrieges, der Pulverturm war provisorische Spielstätte, nahm die Volksbühne ihre Tätigkeit wieder auf.
In der von Frankreich besetzten Zone war es der französische Hohe Kommissar André Francois-Poncet, der die Wiederherstellung des Mollerbaus vorantrieb. Bei der Einweihung 1951 sagte er aus heutiger Sicht etwas Bemerkenswertes: „Die Fackel der Kunst darf nicht verlöschen, wenn nicht alles in grauer Nützlichkeitstheorie versinken soll“.
Zurzeit propagieren alle politischen Parteien, man müsse stärker in die Bildung unserer Kinder investieren. Wenn damit mehr gemeint sein sollte als das Fit-Machen für einen Job, so umfasst das eben auch das Kulturelle, sozusagen die Schaffung eines inneren Reichtums, die Entwicklung von Kreativität und das Ausschöpfen tradierter kultureller Ressourcen. Wer gelegentlich eine Aufführung für Kinder oder Jugendliche im Theater miterlebt hat, der hat das Summen wie in einem Bienenstock, diese vor Vorfreude vibrierende Luft wahrgenommen. Das lässt auf eine Jugend hoffen, die „die Fackel der Kunst nicht verlöschen“ lässt.
Die Stadt Mainz teilt das Schicksal einer hohen Verschuldung mit zahllosen anderen deutschen Städten, die damit alle unter Sparzwänge geraten. Die Kultur ist in der misslichen Lage, zu den sogenannten freiwilligen Leistungen zu zählen und damit immer wieder in den Fokus der Finanzpolitik zu geraten. Besonders das Theater als Hochkultur weckt Begehrlichkeiten. Wir, die wir das Theater lieben, beeilen uns inzwischen mit der Umweg–Rentabilität und dem Standortvorteil von Städten mit renommierten Theatern zu argumentieren, so als bedürfe diese Liebe einer Rechtfertigung durch materiellen Nutzen. Dabei könnten wir in Mainz über eine 2000-jährige Theatergeschichte höchst glücklich sein.